21.8.09

Schizophrene Situation bei FC Zürich gegen FK Ventspils?



Mir gefällt, dass meine lettischen Freunde sehr rege beginnen, Kommentare und kleine Diskussionen zu schreiben. Besten Dank! Der fleissigste Schreiberlin anonymus möchte wissen, wie ich das Spiel der Mannschaft aus Ventspils gegen die Zürcher vom letzten Mittwoch im Skonto-Stadion beurteile. Ihr müsst wissen, dass dieses Fussballspiel nicht nur für den FK Ventspils das allerwichtigste Spiel war...

Das ist auch der dritte Versuch des FC Zürichs, die fantastische Gruppenphase der Champions League endlich zu erreichen. Es ist ebenfalls jedes Mal ein kleines Wunder, wenn sich ein Team aus der Schweizer Super League sich für die höchste europäische Fussballliga qualifiziert.

Ich denke, dass sich vorgestern die clevere Mannschaft durchgesetzt hat. Null drei ist schon etwas zu viel, aber die Ventspil'sche Abwehr hatte Löcher wie ein bestimmter Schweizerkäse. Und wenn du vier Meter vor dem Tor den Ball neben das Tor schiesst, nun, dann ist das nicht das 1:1, sondern nur Pech.

Ich hatte jedoch keine schizophrene Gefühlslage. Schlussendlich war ich hoffnungslos wie alle lettischen Fans. Es war nicht nur meine Unterstützung für die Tatsache, wie wichtig für den lettischen Fussball eine erstmalige Qualifikation eines lettischen Teams für die Champions League wäre (aber die UEFA Europa League ist auch ziemlich toll). Ich habe da einen sehr alten Kampf tief in meinem Herzen drin: Mein Herz schlägt seit jeher nicht für ein Team aus Zürich, sondern aus Bern und seine Farben sind gelb und schwarz. Diese Mannschaft nennt sich "Jang Bois" oder "Jaunie Puiši", wie lettische Journalisten vielleicht schreiben würden.

Aber etwas hatte mich vor dem Spiel gewaltig genervt: Zeitungen in der Schweiz haben berichtet, dass die lettischen Gastgeber versucht haben, kleine Psychospiel mit dem Gast zu machen. Plötzlich waren fast alle Hotels in Riga ausgebucht, und der Gast war vorerst nicht eingeladen, auf dem offiziellen Feld zu Trainieren. Die Zürcher mussten ein Trainingsfeld für 400 Euro/Std. mieten. Aber hallo, aber das kannst du NICHT einem Gast bieten! Alle "Rimi"-Supermarktkassiererinnen und Zentralmarktverkäuferinnen zusammen sind freundlicher als diese Fussballaparatschniks. Erst nachdem die Zürich ziemlich wütend wurden, wurden die Aparatschniks sehr schleimerisch nett. Genau dieses Benehmen stinkt nach alten, dunklen Zeiten. Mit so einem Benehmen kannst du vielleicht deine Kunden auf dem illegalen Schnapsmarkt, der Ruf des Landes "geht Steinpilze sammeln" (Ej bekot! ist ein lettischer Fluch). Nach so einem Benehmen rettet auch ein Werbefilm über Lettischen SPA-Zentren (Zitat: Se hell srough se water.) nichts mehr.

Der Fanklub aus Ventspils hat mir am besten gefallen! Sie waren die echten, farbigen und lauten Fussballfans, die selbst nach dem 0:3 ihre Fahnen noch schwenkten und bis zum bitteren Ende ihre Gelb-Blauen mehrheitlich auf Russisch besangen. Hut ab! Nu ja, ich weiss, dass andere lettische Zuschauer diesen Fans mit gemischten Gefühlen gegenüber sassen. Aber ich weiss nicht, ob es so wichtig ist in welcher Sprache du singst, wenn man bedenkt wieviele lettische Fussballspieler haben russische Wurzeln. 90%? Wenn die Schweizer Nationalmannschaft spielt, könntest du manchmal auch zwei bis drei Fansprachen hören. Bald werden sie im Skontostadion spielen... Aber wenn ich Lette werden möchte, muss ich vielleicht beginnen, mich über Fussball zu langweilen. Ach nee, das kann ich nicht! Fussball gefällt mir viel zu sehr!

P.S.: Der legendäre SPA-Film der lettischen Tourismusbehörde, bei dessen Anblick jeder normalsterbliche Lette das blanke Grauen ergreift. Zuerst verschwand rund 100'000 Franken für die Produktion dieses Wunderwerkes, aber dann - wenigstens etwas - verschwanden auch Verantwortliche dieser werbetechnischen Katastrophe von der Bildfläche.

1 comment:

Stan the Hooligan said...

Ej bekot Ruedi,
Als langjähriger Züri-Fan darf ich hier mal anmerken, dass der 3:0 Sieg keineswegs zu hoch ausgefallen ist. Und doch sind wir durch manch schlechte CL-Vorspielerfahrungen geprügelt und werden erst heute Abend im St Galler Exil unserer Freude freien Lauf lassen können. Selbst Thor, euer Donnergott, oder was sonst dort oben in Lettland als heilig gilt, wird dagegen nix tun können.

Stan the Hooligan

PS: Liebe Letten, Sein "Jaunie Puiši" nennen wir FCZler "ebay".